OFFENER BRIEF:
DREI LEUTE IM TONTEAM

Offener Brief – Drei Leute im Tonteam

Berlin, 03.04.2023
Offener Brief der Berufsvereinigung Filmton (bvft) und des Verbands Deutscher Tonmeister (vdt)

Sehr geehrte Pressevertreter*innen, sehr geehrte Branchenkolleg*innen,

wir wenden uns an Sie mit dem dringenden Anliegen, die personellen Grundlagen der Originaltonaufnahme am Set neu zu gestalten.

Die massiven Reklamationen der Fernsehzuschauer*innen über die nachlassende Filmtonqualität haben ARD und ZDF dazu veranlasst in Zusammenarbeit mit dem VDT die AG „Klare Sprache“ zu gründen, die unter anderem ausdrücklich eine Erweiterung des Tonteams am Set auf drei Leute empfiehlt.

Die Drehbedingungen haben sich in den letzten 10 Jahren drastisch geändert: Einsatz von mindestens zwei oder mehr Kameras, höherer Zeit- und Produktionsdruck, weniger bis gar keine Probenzeiten am Set bei gleichzeitig hohem Anspruch an innovative, visuelle und auditive Gestaltung um ein Produkt anzufertigen, das Aufmerksamkeit erzeugt und marktwirtschaftliche Relevanz darstellt.

Anforderungen an die Tonabteilung

Eine zusätzliche Tonassistenz (Zweite Angler*in und/oder Tongeräteassistent*in) gewährleistet unter den neuen Produktionsbedingungen den bestmöglichen Originalton am Set!

  • Schauspieler*innen werden rechtzeitig verkabelt, während am Set umgebaut wird, der/die Angler*in sich mit Licht und Wegen auseinandersetzt und der/die Tonmeister*in das Setup für die kommende Szene erstellt.
  • Die zweite Angel nimmt bei verschiedenen Kamerarichtungen, bzw. Schauspieler*innen im On/Off zusätzlich auf. Kein Ton geht verloren!
  • Maximale Freiheit der Performance, weil Improvisationen möglich werden und nicht auf Schnittpausen geachtet werden muss. Den Dialog störende Geräusche werden schnell beseitigt und/oder gedämpft.
  • Funkprobleme in einem zunehmend auch durch andere Abteilungen ausgelasteten Frequenzband werden schneller und reibungsfreier gelöst.
  • Mithöranlagen am Set, deren Anzahl mitunter oft zweistellig sein kann, werden effizient betreut.
  • Schnelle Verfügbarkeit von zusätzlicher Technik (Plant Mics, Autoeinbauten, „Voice of God“, Mood Music, Batteriewechsel etc.).
  • Parallel zum Drehverlauf werden abseits des Sets Nurtöne, Nachsprecher und/oder Atmos aufgenommen.
  • Der/die zweite Angler*in begleitet spontan aufgestellte 2nd- oder Splinter-Units.

Dies sind nur einige Aufgaben einer zusätzlichen Tonassistenz, die als zweiter Angler*in oder Tongeräteassistent*in mit einbezogen werden soll in die Budgetplanung. Im gesamten Produktionsprozess spart dies zusätzliche Kosten. Durch die standardmäßige Einrichtung eines Dreier-Tonteams wird erreicht:

  • Beschleunigung des Produktionsprozesses durch bessere Vorbereitung
  • Minimierung von zusätzlichen Synchronaufnahmen in der Post-Produktion
  • Hohe Qualität des Originaltons trotz hohen Produktionsdrucks
  • Größtmögliche künstlerische Freiheit in der Schauspielführung
  • Vermeidung von Verzögerungen durch umfangreichere Kommunikation
  • Erweiterter Service für die Produzenten durch Mithören

Wir fordern die Budgetierung einer zweiten Tonassistenz. Diese kann projektabhängig als Angler*in ausgestaltet sein oder als Tongeräteassistent*in.

Nachwuchsförderung

Die Tonmeister*innen von bvft und vdt verstehen sich als Partner der Produktionsfirmen. Durch die Besetzung der zweiten Tonassistenz, bzw. Geräteassistenz können sie am Drehort, also unter professionellen Dreh-, sprich Stressbedingungen dringend benötigte Nachwuchskräfte zu vollwertigen Tonassistent*innen ausbilden.

Stimmen der Anderen

Der Tarifvertrag FFS weist seit September 2018 die Position der sogenannten Geräteassistenz aus.

Wir weisen darauf hin, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Zusammenarbeit mit dem Verband Deutscher Tonmeister (vdt) eindeutige Empfehlungen für Produktionen mit szenischen Inhalten geben.

Den Producer*innen wird empfohlen:
"Bei szenischen Inhalten sollte das Tonteam am Set aus mindestens drei Personen bestehen. Die sogenannte 2. Tonassistenz übernimmt dabei Aufgaben in der Vorbereitung, führt wenn nötig eine zweite Tonangel, verkabelt die Schauspieler*innen oder macht eigenständig Aufnahmen von benötigten Nurtönen."

Den Filmtonmeister*innen wird folgendes empfohlen:
"Bestehen Sie bei szenischen Inhalten auf ein Tonteam von mindestens drei Personen."

Netflix fordert in der Handreichung zu den „Production Sound Best Practices“:
„…Achten Sie darauf, in der Vorproduktionsphase den Umfang des Projekts mit dem Produktionsteam genau zu besprechen, damit Sie das Budget für den Ton planen und die dafür zuständige Crew entsprechend zusammenstellen können. Wenn es ein Drehbuch gibt, lesen Sie es, um herauszufinden, wie Sie das Budget für Crew, Equipment und Tools kalkulieren müssen. Die Tonabteilung am Set sollte für gescriptete Inhalte aus mindestens drei Personen bestehen…“

Es ist Zeit, die Kalkulation eines Teams für die Originaltonaufnahme neu aufzustellen. Lassen Sie uns gemeinsam dafür Sorge tragen, dass der Originalton am Set effizient und in bester Qualität gewährleistet sein kann.

Bei Rückfragen:

Berufsvereinigung Filmton e.V.
Brunoldstraße 26
16225 Eberswalde
buero@bvft.de
www.bvft.de

Verband Deutscher Tonmeister
Postfach 13 03 10
50497 Köln
referenten-film-fernsehen@tonmeisterverband.org
tonmeister.org

Hier kann der offene Brief als PDF heruntergeladen werden.