SYNCHRONEDITOR*IN
engl. dubbing editor, adr editor
Erarbeitung einer fremdsprachigen Filmtonfassung auf künstlerischer und technischer Ebene
Aufgabe einer Synchronisation…
…ist es, die Illusion zu schaffen, dass in einer ursprünglich fremdsprachigen Produktion deutsch gesprochen wird. Ziel ist es, diese Illusion so glaubwürdig wie möglich zu gestalten, was genaue Produktions- und Aufnahmeplanung, ein deutschsprachiges Dialogbuch, eine sorgfältige Vor- und Nachbereitung des Tonmaterials, und vor allem die enge Zusammenarbeit des gesamten Aufnahmeteams im Sprachatelier voraussetzt.
Zu einem solchen Team zählen ein*e Synchronregisseur*in, ein*e Aufnahmetonmeister*in und ein*e Synchroneditor*in, deren Aufgabe darin besteht, den/die Synchronsprecher*in bzw. Synchronschauspieler*in auf künstlerischer und technischer Ebene anzuleiten. Der/die Synchroneditor*in (landläufig auch Synchroncutter*in) ist neben der Arbeit im Sprachatelier an vier weiteren Stationen, vor und nach den eigentlichen Synchronaufnahmen, tätig. Diese sind: Das sog. „Taken“, der Sprachschnitt, die MnE-Bearbeitung und das Assistieren im Mischstudio. Jeder Bereich wird im Folgenden in Reihenfolge der Produktionskette detailliert beschrieben.
Taken
Der Film oder die Serie wird für die Synchronsprecher*innen mithilfe spezieller Takersoftware in sprechbare Sinneinheiten unterteilt (Takes). Der/die Synchroncutter*in legt anhand dramaturgischer Aspekte fest, was als Sinneinheit gilt und achtet gleichzeitig darauf den/die Sprecher*in nicht zu überfordern. Wird eine Rolle von z.B. einem Kind, einem älteren Menschen, einem Native Speaker oder von einem/r unerfahrenen Schauspieler*in gesprochen, muss entsprechend getaked werden. Auch wird berücksichtigt, ob sich Gesänge oder weitere Fremdsprachen im Projekt befinden. Diese werden als solche markiert und ebenfalls passend eingetaked.
Eine gute “Takung” ist für den reibungslosen Aufnahmeprozess im Studio essentiell. Ist ein Film unvermögend getaked, behindert das den Fluss der Sprachaufnahmen. Synchroncutter*in, Regisseur*in, Sprecher*in, konzentrieren sich dann auf die Verteilung der Worte im Take, anstatt sich mit der kreativen Umsetzung zu befassen. Das verlängert bisweilen sogar die Atelierzeit und steigert somit die Produktionskosten.Das Endprodukt des Takens ist das entsprechend unterteilte deutschsprachige Dialogbuch, Auszüge daraus für den/die Aufnahmeleiter*in und die Takerdateien, die der/die Aufnahmetonmeister*in im Studio für die Aufnahmesteuerung benötigt.
Der/die Synchroncutter*in muss, um angemessen taken zu können, über viel praktische Studioerfahrung verfügen und mit den unterschiedlichen Takerprogrammen umgehen können.
Music & Effects Bearbeitung
(auch „IT-Bearbeitung“ oder „IT-Check“; M&E, MnE bzw. MaE = Music and Effects; IT = International Tape)
Die aufgenommene und geschnittene deutsche Sprache wird am Ende mit dem IT zusammengemischt. Dabei handelt es sich um die Tonspuren des Originalfilms ohne Sprache, also „Music and Effects“, kurz „MnE“. Diese müssen vor der Mischung bei der MnE-Bearbeitung auf Qualität und Vollständigkeit überprüft werden.
Oft müssen auf dem MnE fehlende Geräusche, Effekte und Atmosphären neu gestaltet werden, sei es durch das Aufnehmen entsprechender Sounds oder durch das Anlegen von Archivtönen. Dabei gilt die fremdsprachige Originalfassung immer als Vorlage, an die, wie beim Covern eines Musikstückes, klanglich und dramaturgisch angeschlossen werden muss.
Weitere Aufgaben:
- Anlegen von Hintergrundstimmen (Wallas) aus dem Archiv in der entsprechenden Sprache, Stimmung, Qualität, Quantität nach gestalterischen Anforderungen der jeweiligen Szene
- Erstellung einer sog. MnE-Liste auf der zusätzlich aufzunehmende Takes (z.B nicht im Dialogbuch vermerkte, inhaltlich aber wichtige Hintergründe/kleine Rollen) und Takes, die nicht aufgenommen werden müssen (z.B Atmer, Laute oder Wallas, die auf dem IT sind, von der fremdsprachigen Originalfassung abgespielt oder angelegt wurden) notiert sind
Bei der MnE-Bearbeitung ist sowohl ein analytisch geschultes Gehör, Musikalität, kreative Improvisationsfähigkeit, als auch ein umfassendes Verständnis für die technischen und gestalterischen Aspekte des Filmtons erforderlich.
Sprachatelier
Wie bereits zu Beginn erläutert, arbeiten Regisseur*in, Sprecher*in, Synchroncutter*in und Aufnahmetonmeister*in im Sprachatelier in einem Team. Vor Aufnahmebeginn macht sich der/die Synchroncutter*in mit der MnE-Liste vertraut (siehe Abschnitt “MnE-Bearbeitung”), trägt gegebenenfalls Notizen in das Synchronbuch ein und bespricht eventuelle Ton- und Bildversätze mit dem/der Tonmeister/in. Außerdem werden explizite Redaktionswünsche im Buch notiert.
Der/Die Synchroncutter*in ist während der Aufnahmen dafür zuständig, dem/r Sprecher*in unterstützende Anweisungen zu Länge, Rhythmus und Geschwindigkeit des zu sprechenden Dialogs zu geben. Darüber hinaus prüft der/die Synchroneditor*in, ob der Text aus dem deutschen Dialogbuch zu den Lippenbewegungen des fremdsprachigen Originalschauspielers passt und bespricht für die Synchronität notwendige Textänderungen oder Pausen/Zögerer mit dem/der Regisseur*in. Auch Laute sowie Ein-/Ausatmer müssen passend zu den Körperbewegungen im Bild aufgenommen werden.
Der/die Synchroncutter*in führt nebenbei Buch über nötige Textänderungen und notiert fehlende und noch zu disponierende Takes. Aufgenommene Takes werden mit dem Datum vermerkt und abgedrehte Seiten werden der Übersicht halber markiert. Damit alle am Projekt beteiligten Sprecher korrekt abgerechnet werden können, hält der/die Cutter*in die Anzahl der tatsächlich aufgenommenen Takes auf dem Deckblatt der Tagesdisposition fest.
Zu den Voraussetzungen für die Arbeit als Synchroncutter*in zählen nicht nur eine Sensibilität für Rhythmus und Sprache, sondern auch ausgereifte soziale Kompetenz, insbesondere Einfühlungsvermögen. Der/die Synchroncutter*in sitzt von Regisseur*in und Tonmeister*in isoliert neben dem/der Synchronschauspieler*in im Aufnahmeraum und muss in der Lage sein, sich empathisch auf den/die Sprecher*in einzustellen, dessen/deren Fähigkeits- und Belastbarkeitslevel einzuschätzen und eventuelle Nervosität oder Launen aufzufangen. Bei Ensembleaufnahmen, also szenischen Tonaufnahmen von Menschenmengen, -gruppen oder -massen, unterstützt der/die Synchroncutter*in das Team, in dem er/sie nebenbei Rollenwechsel koordiniert und für eine ruhige und rücksichtsvolle Arbeitsweise unter den Sprechenden sorgt. Dabei ist Durchsetzungsvermögen gefragt.
Auf technischer Ebene sind fundierte Kenntnisse über den aktuellen Branchenstandard für die digitale Nachbearbeitung von Audiomaterial und den Umgang mit DAWs (Digital Audio Workstation) wichtige Arbeitsgrundlagen. Im Studio muss der/die Cutter*in sein/ihr Know-how einsetzen, um innerhalb von Sekunden entscheiden zu können, ob er/sie den aufgenommenen Take im Nachhinein auf Bild und O-Ton zuschneiden kann. Sollte der Aufwand zu groß sein oder gar technische Limits überschreiten, muss der Take umgestaltet erneut aufgenommen werden.
Sprachschnitt
Der Sprachschnitt erfolgt nach oder parallel zu den Aufnahmen im Sprachatelier.
In diesem Schritt werden die deutschsprachigen Sprachclips präzise auf das Originalbild angepasst. Auffallende Unsauberkeiten und Störgeräusche wie Schmatzer, Klickser, ein knurrender Magen oder eine Hand, die ans Sprecherpult gekommen ist, werden entfernt. Die Sprache wird so genau wie möglich auf Lippenbewegungen und Mimik des/der Schauspielers*in im Bild oder – sollte das Gesicht nicht zu sehen sein – auf dessen Körperbewegungen und Gestik gelegt. Mithilfe spezieller Audiosoftware können nicht nur ganze Takes, sondern auch Satzteile, einzelne Worte, Silben oder Atmer/Laute verschoben, beschleunigt oder verlangsamt werden. In seltenen Fällen kommt es vor, dass Wörter ausgetauscht oder sogar entfernt werden.
Wichtig ist hierbei, dass der Ausdruck der Sprache nicht verändert wird und dass die „Schnitte“ (digitale Bearbeitungspunkte) nicht hörbar sind. Außerdem sollte darauf geachtet werden Überlappungen zweier Sprechender zu vermeiden, die auch im Original nicht vorhanden sind. Während des Sprachschnitts erstellt der/die Cutter*in Effekt-, Perspektiv- und 2.-Fassungs-Spuren und legt die bearbeiteten Sprachclips darauf passend an. Die Spurenverteilung und -benennung wird mit den Synchronproduktionsfirmen bzw. den jeweiligen Mischtonmeister*innen vorher abgesprochen. Ist der Sprachschnitt abgeschlossen, wird das gesamte Tonschnittgebilde nochmals in Hinsicht auf die folgende Endmischung geprüft, um dem/der Mischtonmeister*in im nächsten Arbeitsschritt eine gute Übersicht zu gewährleisten (Mischvorbereitung). Sollte es während der Synchronisation noch Änderungen im Bildschnitt geben, müssen diese abgeglichen und Versätze angepasst werden. Sprach- und MnE-Spuren müssen sich in der Endfassung befinden und letzte Retakes (nachträgliche Neuaufnahmen) werden eingefügt und bearbeitet.
Beim Sprachschnitt muss der/die Synchroneditor*in all sein/ihr praktisches Wissen in der DAW einsetzen und aufgenommene Audioclips nicht nur auf Lippenbewegungen anpassen, sondern auch säubern, in der Lautstärke regulieren und für einen sauberen Dialogfluss sorgen. Dies erfordert hohe Konzentration und die Fähigkeit analytisch zu hören, um feine Unsauberkeiten ausfindig zu machen.
Mischung
Die Mischung ist der kreative Ort, an dem alle Tonquellen entsprechend dem Bildinhalt zusammenlaufen. Sämtliche Tonelemente werden in der Intensität und im Klangspektrum, nach dramaturgischen und künstlerischen Aspekten aufeinander abgestimmt. Die deutschsprachigen synchron geschnittenen Sprachclips, Geräuschbänder, musikalischen Untermalungen und Atmosphärenschleifen, Originaldialogspuren („Stems“) und Original-Mixbänder werden in diesem Arbeitsschritt zur „deutschen Mischung“. Der/Die Mischtonmeister*in, der/die Synchroncutter*in und häufig auch der/die Kunde/in (vom jeweiligen Filmverleih) bzw. der/die hiervor beauftragte Supervisor*in, erarbeiten eine möglichst originalgetreue deutschsprachige Fassung. Es wird gemeinsam über die anzuwendenden Raumklänge und -größen diskutiert, über die Sprachverständlichkeit und die Verhältnismäßigkeit der einzelnen Protagonisten zueinander und im Verhältnis zu den Musik- und Atmosphärenspuren. Vorrangig achtet der/die Synchroncutter*in darauf, dass alle Audiospuren synchron zum Bild und zueinander laufen. Gegebenenfalls verändert er/sie an einzelnen Stellen noch mal die schon geschnittene Sprache, da er/sie sie im akustischen und visuellen Gesamtbild noch stimmiger platzieren kann.
Berufseinstieg
Der Einstieg in den Beruf Synchroneditor*in bzw. Synchroncutter*in ist auf unterschiedlichen Wegen möglich: Einige Synchronfirmen bieten Bewerbern Festanstellungen an und setzen z.B. eine abgeschlossene Ausbildung zum Mediengestalter für Bild und Ton oder ein absolviertes Studium im Bereich Bild/Ton an einer Universität oder Privatschule voraus. In diesem Fall wird die Tätigkeit über einen längeren Zeitraum angelernt. Auch für Quereinsteiger gibt es die Möglichkeit Synchroncutter*in zu werden, solange ausreichend technisches Hintergrundwissen und Erfahrung in der Film- oder Tonbranche vorhanden ist.
Typischerweise startet ein*e Neubewerber*in im Sprachatelier und wird von einem/einer erfahrenen Synchroncutter*in unterstützt. Die Zuständigkeitsbereiche und damit verbundene Verantwortung werden dann mit steigender Erfahrung Stück für Stück erweitert.
Ein großer Teil der Cutter*innen in der deutschen Synchronisationsbranche arbeitet auf freiberuflicher Basis.
Der Begriff „Synchroncutter*in“ bzw. „Synchroneditor*in“ ist keine geschützte Berufsbezeichnung.
Zusammenfassung
Eine effektive und erfüllende Beschäftigung als Synchroncutter*in in der Film- und Fernsehsynchronisationsbranche setzt ein umfangreiches Repertoire an Softskills und gefestigte technische Hardskills in Kombination mit ausgereifter Routine in allen fünf Zuständigkeitsbereichen voraus, da diese unzweifelhaft miteinander in Verbindung stehen. Nicht der (Aus)bildungsabschluss entscheidet über die Kompetenz eines/r Cutters*in, sondern vielmehr stehen Teamfähigkeit, Sprachsensibilität sowie ein Feingefühl für die Synchronität von Bild und Ton im Vordergrund.
Sommer 2020, von Daniel Wüst, Melanie Piechotta und Paul Wollstadt
Überarbeitet 2020 vom Vorstand der bvft