ORIGINALTONMEISTER*IN

engl. production sound mixer, sound mixer

Originaltonaufnahmen während der Dreharbeiten am Filmset (überwiegend Sprache)

(auch: Filmtonmeister*in, Tonmeister*in, Settonmeister*in, O-Tonmeister*in)

Der Aufgabenbereich der Originaltonmeister*innen umfasst die künstlerische und technische Mitarbeit beim Dreh von inszenierten Spielfilmen und Serien sowie Dokumentar-, Industrie- und Werbefilmen. Ihre Aufgabe ist die kreative und eigenverantwortliche Tonaufnahme aller für die Postproduktion benötigten Originaltöne (kurz „O-Ton“) am Drehort, hauptsächlich Sprache. Dies erfordert neben umfassenden technischen und organisatorischen Fähigkeiten ein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen und Wissen um die klanglichen Gestaltungsmittel.
Die Bedingungen der Tonaufnahme und die Art der aufzunehmenden Töne sind maßgeblich durch die Bildgestaltung und das gefilmte Geschehen bestimmt. Die O-Tonmeister*innen müssen die tonliche Situation am Drehort dahingehend gestalten, dass es möglich wird, einen zum Bild authentisch wirkenden O-Ton aufzuzeichnen. Ihre Arbeit umfasst dabei die Gestaltung der akustischen Bedingungen am Drehort und die Wahl der erforderlichen technischen Mittel. Sie weisen die Regie auf mögliche tonliche Probleme bei der Inszenierung hin und schlagen Alternativen vor.
Bildinhalte und dramaturgische Funktion einer Einstellung müssen unmittelbar erfasst werden können. Damit bei der späteren Montage die Illusion zeitlicher Kontinuität ermöglicht wird, muss dafür Sorge getragen werden, dass klangliche und darstellerische Anschlussfehler vermieden werden.

Soweit am Drehort besondere dramaturgisch wichtige Geräusche innerhalb oder ausserhalb des Bildes vorhanden sind, sind auch diese in Form von Nurtönen (also ohne Bild) aufzunehmen, insbesondere, wenn sie nicht, oder nur schwer im Nachhinein zu erzeugen sind. Dazu gehören u.a. Dialog-Nachsprecher, Komparsenstimmen, Töne besonderer Requisiten, oder einzigartige Ton-Atmosphären (kurz „Atmo“).
O-Tonmeister*innen müssen teamfähig sein und neben der Fähigkeit zur Personalführung über eine starke Persönlichkeit und Verhandlungsgeschick verfügen, um sich innerhalb eines eher bildorientierten Filmteams erfolgreich für die Belange einer guten Tonqualität einsetzen zu können. Diese Aufgabe erfordert auch die Erfahrung, welche Kompromisse man für einen flüssigen Drehablauf eingehen kann und welche nicht.

Da ihre Arbeit am Beginn der Tonproduktionskette steht, legen sie die Basis für alle nachfolgenden Arbeiten am Filmton. Sie müssen eine gute Kommunikation mit dem Bild- und dem Tonschnitt etablieren. Die Kenntnis des aktuellen Standes der Postproduktionstechnik für Bild und Ton und des prinzipiellen Ablaufs von Schnittarbeiten ist wichtig, um zu gewährleisten, dass nicht Teile der Tonaufnahmen oder Metadaten im Laufe des Bildschnitts verloren gehen. Auch in diesem Sinne sollte bereits vor Drehbeginn ein Workflow für den Ton-Transfer vom Set in den Bildschnitt und von dort in den Tonschnitt entwickelt und getestet werden.

Es wird in der Regel projektbezogen in Anstellung oder selbstständig, mitunter auch in Festanstellung gearbeitet. Im Bereich der szenischen Produktion leiten O-Tonmeister*innen idealerweise ein Team aus zwei Tonassistenzen.

Aufgaben und Tätigkeiten

Vorbereitung

  • Studium des Drehbuchs hinsichtlich der tonlichen Anforderungen und Umsetzbarkeit
  • Besprechung mit Regie: Auflösung durchgehen, klangliche Intentionen hinsichtlich des Endprodukts erarbeiten, Anschlüsse abklären, Hinweise und Lösungsvorschläge zu vorhersehbaren akustischen Problemen machen.
  • Besprechung mit der Leitung der Ton-Postproduktion (Sound Supervisor): klangliche Intentionen hinsichtlich des Endprodukts erarbeiten, Audio- und Metadaten-Workflow testen, notwendige Nurtöne und Atmos besprechen, die vom Originaltonmeister aufgenommen werden sollen.
  • Besprechung mit Produktions-/Herstellungsleitung: Falls notwendig Veranschlagung des Aufwandes, der für die Nutzbarmachung eines Drehortes zur Tonaufnahme anfällt, beispielsweise in Form von Straßensperrungen, Akustikbau (Absorber, Dämmmaterial,…) usw. Auswirkungen durch schlechten O-Ton auf das Gesamtbudget verdeutlichen. Personal-, Materialeinsatz und Zeitaufwand kalkulieren.
  • Besprechung mit Kamera/Licht: Drehstil und Auflösung hinsichtlich tonlicher Umsetzbarkeit durchgehen, Bild- und Lichttechnik auf O-Ton-Tauglichkeit prüfen (Lüfter in Monitoren und Kameras u.ä.). Leise Generatoren und akustisch ausreichenden Abstand (hinreichende Leitungslänge!) zum Drehort einfordern.
  • Besprechung mit Szenenbild: Hinweise zur o-tontauglichen Auswahl und Gestaltung von Drehorten und Kulissen, Besprechung von notwendigen Akustikmaßnahmen (Schalldämmung, Schallabsorbtion), Beseitigung von Störgeräuschen (bspw. Dielenknarren usw.).
  • Besprechung mit Kostüm: Hinweis auf Verwendung möglichst raschel- und knisterfreier Stoffe sowie Vorbereitung von Kostümen zum Einbau von Ansteckmikrofonen, Beklebung von Schuhsohlen zur Dämmung von Schrittgeräuschen.
  • Obligatorisch: Teilnahme an den Motivbesichtigungen. Hinweise an Regie und Produktion hinsichtlich der akustischen Eignung der Motive.
  • Klärung des Produktionsablaufs z.B. bei Musik- und Gesangsaufnahmen am Drehort.
  • Festlegung und Überprüfung der technischen Geräte und des Arbeits- und Verbrauchsmaterials.
  • Klärung und evtl. Anmeldung der Frequenzen für Funkmikrofone.
  • Abstimmung und Testen des Datentransfers/Workflows vom Drehort über den Schneideraum zur Tonnachbearbeitung in Absprache mit dem Filmeditor, seinem Assistenten und dem Sound Supervisor.

Durchführung

Wahl einer sinnvollen Mikrofonierung (in der Regel Angel- und / oder Einbau- und Ansteckmikrofone)

  • Aufnahme der Dialoge bzw. aller Aktionen vor der Kamera
  • Überwachung der Tonaufnahmen (technische / künstlerische Qualität, Text, Sprachverständlichkeit, nicht tolerierbare Nebengeräusche)
  • Sicherstellung der Synchronität von Bild- und Tonaufnahmegerät(en)
  • Bereitstellung von Mithörmöglichkeiten (engl. feed) für Regie und andere Gewerke
  • Anweisung an die Tonassistenz zur Mikrofonführung und evtl. zum Einbau von Ansteckmikrofonen
  • gegebenenfalls Playback-Einspielungen
  • Erstellung einer O-Ton-Vormischung während der Aufnahme zur Verwendung für den Bildschnitt.
  • Beratung der Regie hinsichtlich der tonlichen Inszenierung
  • Aufnahme bildunabhängiger oder dramaturgisch notwendiger Zusatztöne am Set (Nachsprecher, Off-Dialoge, Musik, drehortspezifische Atmosphären, Spezialgeräusche usw.) für die Tonnachbearbeitung.
  • Erstellen des Tonberichts in elektronischer (Metadaten) oder Papierform in Zusammenarbeit mit Continuity/Script.
  • Übergabe der Tonaufnahmen und Tonberichte an die Postproduktion; bei non-linearer Aufzeichnung in der Regel Anfertigung von Sicherheitskopien.
  • Teilnahme an der Mustervorführung.

Nachbereitung

  • Beantwortung von Rückfragen aus der Postproduktion.
  • Anwesenheit bei der Postproduktionstonbesprechung.
  • Anwesenheit bei der Dialog- oder Endmischung zusammen mit Regie.

Voraussetzungen

  • Einwandfreie Hörfähigkeit
  • Konzentrationsfähigkeit über längere Zeit
  • Bereitschaft zu unregelmäßigen Arbeitszeiten und Überstunden
  • Bereitschaft zum Einsatz an wechselnden Drehorten (andere Städte und Länder), Wochenend- und Nachtarbeit.
  • Physische und psychische Belastbarkeit.
  • Fähigkeit, kleinste Details eines Klangbildes wahrzunehmen und zu beurteilen
  • Musikalität
  • Fähigkeit zu Teamarbeit, selbstbewusstem und konstruktivem mitmenschlichem Umgang und Empathie auch in Stresssituationen.
  • Dispositionsfähigkeit, Improvisationsfähigkeit, Führungseigenschaften, Entscheidungsvermögen und Verantwortungsbereitschaft

Ausbildung

Es gibt keinen geregelten Ausbildungsweg. Gängig ist entweder eine mehrjährige Berufspraxis in der Filmtonassistenz, eine medientechnische Ausbildung, oder ein tontechnisches Studium. Ausserdem haben sich vorbereitende Praktika an den folgenden Stellen bewährt:

  • Servicewerkstätten für elektrotechnische Geräte
  • Tontechnik-Verleiher
  • Tonstudios
  • Postproduktionsbetriebe
  • Produktionsfirmen
  • Amateur-/Hochschul-Filmdrehs
  • O-Tonmeister*innen

Neben elektroakustischen Kenntnissen ist vor allem bei der weit verbreiteten Selbständigkeit in diesem Beruf auch betriebswirtschaftliches Wissen von Nutzen.

Entwicklung und Berufssituation

Der Beruf hat sich mit der Entstehung des Tonfilms in den 1920er Jahren herausgebildet. Im Laufe der Zeit stieg der Bedarf an O-Tonmeistern*innen bei Film und Fernsehen kontinuierlich an. Mit der fortschreitenden Verbreitung digitaler Produktionstechnik seit Beginn der 1990er Jahre hat sich der Fokus der technischen Anforderungen von Elektrotechnik zu EDV-Kenntnissen hin verlagert. Die Kenntnis von elektrotechnischen Grundlagen ist aber nach wie vor wichtig für die Arbeit am Set. Parallel zur fortschreitenden Digitalisierung hat sich die Anzahl der als Filmtonmeister*innen tätigen überproportional zur Marktnachfrage erhöht. Der Arbeitsmarkt ist deshalb als gesättigt anzusehen. Auch in Zukunft ist aufgrund von zu erwartenden weiteren Kosteneinsparungen bei Fernsehanstalten und Studiobetrieben keine Veränderung auf dem Arbeitsmarkt absehbar. Es existiert ein Tarifvertrag für Film- und Fernsehschaffende, der eine Mindestgage für O-Tonmeister*innen festlegt. Die Höhe der Bezahlung ist aber auch von Ruf und Erfahrung abhängig.