GAGE VON SELBSTSTÄNDIGEN VERSUS TARIFLOHN

bvft-Gagenempfehlung orientiert sich am Tarifabschluss zwischen Verdi-Filmunion und der Produzentenallianz

Mit einem Aufschlag von 30% leiten wir aus dem „Tarifvertrag für auf Produktionsdauer beschäftigte Film- und Fernsehschaffende“ (TV FFS) die Mindestgagen für unsere selbständigen Mitglieder ab. Dieser Wert ergibt sich aus den Lohnnebenkosten, wie sie Filmproduktionen für ihre angestellten Mitarbeiter aufwenden:

Ab April 2023 beläuft sich die Bruttowochengage für auf Produktionsdauer Angestellte (5 Tage, max. 50 Std.) auf:

Ton(meister*in): 1.728 €

Für Produktionsfirmen ergeben sich aus dem Angestelltenverhältnis auch Zusatzkosten in Form von Arbeitgeberanteilen an die Sozialversicherungen. Die wahren Kosten, die Angestellte bei ihrer Produktionsfirma „verursachen“, sind also beträchtlich höher.
In den Gagenverhandlungen der Selbstständigen mit den Produktionsfirmen kann das Wissen um die verdeckten Kosten die eigene Verhandlungsposition erheblich stärken, denn meist sind die Gelder über die tarifbasierte SESAM-Kalkulationssoftware bereits budgetiert.

So manche Produktionsleitung beziffert die Lohnnebenkosten fälschlicherweise auf lediglich 20%. Bei genauer Betrachtung bewegen sich realistische Aufschläge jedoch im Bereich von 26-29%! Dem entsprechen Tonmeister*innen-Rechnungsgagen von mindestens 435-445 Euro pro 10h-Tag (zzgl. USt.).

Lohnnebenkosten

Hier eine Auflistung der Sozialversicherungsbeiträge, die Produktionsfirmen für ihre Filmschaffenden (<10 Wochen beschäftigt) bezahlen. Eine gute und schnelle Berechnung der Lohnzusatzkosten für Arbeitgebende und Beschäftigte findet sich unter www.imacc.de

Sozialversicherungsbeiträge 2024:

  • Rentenversicherung 18,6%
  • Arbeitslosenversicherung 2,6 %
  • Krankenversicherung 16,0% (14,6 % allgemeiner Beitrag bzw. 14,00% ermäßigt, plus bspw. 1,4 % Zusatzbeitrag)
  • Pflegeversicherung 3,4% oder 4,0% (Kinderlose)

Die Hälfte der vorgenannten Beiträge – ca. 20,5% – sind von den Arbeitgebern zu tragen. Die folgenden Kosten hingegen allein vom Arbeitgeber:

  • Umlage U1 / Krankheitsrisiko ab 1. Woche*: ca. 2,9% (z.B: DAK für 70% Erstattung des Krankheitsausfalls)
  • Umlage U2 / Mutterschaftsgeld: ca. 0,58% (z.B.: TK)
  • Umlage U3 / Insolvenzgeld: 0,06%
  • Urlaub 0,5 Urlaubstage*/Woche= 10%
  • Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medien): 0,74%
    (Gefahrtarifstelle 1311 (Medientechnik), -klasse 2,9 ; Berechnung: Bruttojahreslohn x Gefahrklasse x 0,00284 – 10% Rabatt)
  • Tantiemen: – (separater Bestandteil des Urhebertarifvertrages)
  • Weihnachtsgeld: –
  • Urlaubsgeld: –

Die letzten zwei Punkte sind zwar für Angestellte möglich, im projektbasierten Filmgeschäft allerdings unüblich, weswegen sie nicht berechnet werden.

(*Sonderregelungen im FFS-Tarifvertrag, ohne ver.di-Mitgliedschaft möglicherweise weniger Schutz/Leistung)

Es ergibt sich in Summe:

Bruttoangestelltenlohn + 35 % Nebenkosten <= Arbeitskosten für Produktionsfirmen

Beitragsbemessungsgrenzen

Für Sozialversicherungsbeiträge gelten jedoch Beitragsbemessungsgrenzen (BBG).

  • BBG1 gilt für Kranken-, Pflegeversicherung und liegt im Jahr 2024 bei 5.175 €/mtl.
  • BBG2 gilt für Arbeitslosen-, Rentenversicherung und U1, U2, U3 und liegt 2024 bei 7.550 €/mtl. (im ehem. Ostdeutschland 7.450 €)

(Stand der Planungen November 2023)

Übersteigen die monatlichen Angestelltenlöhne diese Grenzen, so sinken die prozentualen Lohnnebenkosten, da die Beiträge sich an den festen Obergrenzen orientieren. Bei einer Tonmeister*innengage von 1.728 €/Woche bei 4,3 Wochen/Monat ergeben sich bei größeren Projekten Monatslöhne von 7.430 €. (Die Überstunden werden in zusätzliche Arbeitstage umgewandelt (Tarifvertrag „Zeitkonto 50-40“)) Wendet man die Beitragsbemessungsgrenzen darauf an, so sinken in diesem Beispiel die prozentualen BBG-behafteten Arbeitgeber-Beiträge von 23,9% auf 21%, was einem gesamten Nebenkostenanteil bei größeren Projekten von 31,7% entspricht.

(Nebenbei zeigt sich: Wer sich Überstunden und Urlaubstage nicht auszahlen, sondern per Zeitkonto-Regelung als zusätzliche Arbeitstage „hinten anhängen“ lässt, profitiert neben weiteren Beitragstagen für die Arbeitslosenversicherung auch von höheren Einzahlungen des Arbeitgebers in die Rentenversicherungen. Manche Produktionsfirmen sträuben sich gegen das Zeitkonto, da dies deren Lohnnebenkosten erhöht.)

Die weitere Berechnung wird aber vorerst mit dem obigen Satz von 35 % fortgeführt.

Künstlersozialkasse

Das Engagement von selbstständigen Filmtonschaffenden hat für eine Produktionsfirma die Konsequenz, dass zusätzliche Kosten in Form einer Abgabe an die Künstlersozialkasse nach dem KSVG (Künstlersozialversicherungsgesetz) entstehen.
Die Künstlersozialabgabe fällt für alle selbstständigen Filmtonschaffenden an, die eine Filmproduktionsfirma engagiert, egal ob diese KSK-Mitglieder sind, oder nicht!

Die KSK-Abgaben von Filmproduktionsfirmen sind quasi die „Lohnnebenkosten“ der selbstständigen Filmtonschaffenden. Wenn die Gagen von Selbstständigen also aus Sicht eines Produktionsunternehmens in Höhe der Arbeitskosten für Angestellte angesetzt werden, dann gilt:

Bruttoangestelltenlohn + 35% ~ Selbstständigen-Gage + KSK-Abgabe

ergibt

Bruttoangestelltenlohn + 35% – KSK-Abgabe ~ Selbstständigen-Gage

Die Rechnungsstellung von Selbstständigen bietet für Produktionsfirmen weitere Vorteile, da die Kosten erst nach der Arbeitsleistung anfallen (nicht im laufenden Monat) und zudem wenig Bürokratie erfordern.

  • Lohnbürokratie-Einsparungen durch Rechnungsstellung: ca. 0,3%
  • Kreditzins (5%/Jahr) durch nachgelagerte Auszahlung des Rechnungsbetrages (1 Monat): 0,4%
  • Auch Feiertage, die bei Selbstständigen unbezahlt bleiben, sind barer Vorteil für Filmproduktionsunternehmen, sind aber statistisch schwer fassbar. Bei bundesweit ca. 7 Feiertagen, die durchschnittlich im Jahr auf einen Arbeitstag fallen, ergeben sich im Schnitt 0,13 Feiertage pro Woche, also ca.0,1% Vorteil.

Es ergibt sich also:
Bruttoangestelltenlohn + 35% – KSK-Abgabe ~ Selbstständigen-Gage + „Vorteile durch Rechnungsstellung“

Durch die Kostenbrille von Produktionsfirmen betrachtet entstehen also gleichwertige Arbeitskosten für Angestellte und Selbstständige, wenn die Relation

Bruttoangestelltenlohn + 29% ~ Selbstständigengage

erfüllt ist.

Greifen bei größeren Projekten die Effekte der Beitragsbemessungsgrenzen (Monatsbruttolöhne > 5.175 €), dann sinken die effektiven Lohnnebenkosten auf:

Bruttoangestelltenlohn + 26,1% ~ Selbstständigengage
(Beispielberechnung: Monatsbruttolohn tariflicher Settonmeister*innen bei monatlicher Vollzeitbeschäftigung und Anstellung auf Produktionsdauer unter 10 Wochen).

Über 10 Wochen Beschäftigungsdauer erhöhen sich die Vorsorgekosten der Arbeitgebenden für Krankheitsausfall um ca. 1-2%.

Legt man Tarife zugrunde, die nicht auf Produktionsdauer, sondern auf unbefristete Anstellung ausgelegt sind, dann addieren sich bei selbstständiger Tätigkeit natürlich weitere geldwerte Vorteile für Produktionsfirmen wie z.B. Beschäftigungsrisiko, Entlassungskosten…

Die bvft-Gagenempfehlung hat die hier gezeigten Lohnzusatzkosten bereits berücksichtigt, weshalb die Gagen von Selbstständigen 30% über den Tarifgagen für projektweise Angestellte liegen.

Wir wollen darauf hinweisen, dass es nicht im Sinne der Tonschaffenden sein kann, tarifbasierte Angestelltenlöhne mit der eigenen Gagenhöhe zu unterlaufen. Das gilt insbesondere für selbstständige Rechnungssteller!
Der Tarifvertrag und ebenso die bvft-Empfehlung nennen deswegen MINDESTgagen, die zwar über-, aber eben nicht unterschritten werden sollten.

Überstunden

Da der Tarifabschluss für ein Volumen von 50 Wochenstunden ausgelegt ist, ergibt sich auch zwingend die Notwendigkeit einer Überstundenvergütung in den Gagenverhandlungen.
So sieht der Tarifvertrag einen

  • 25% Lohnzuschlag für Arbeitszeiten ab der 10. Stunde vor (auf 50h-Woche hochgerechnet),
  • 60% Lohnzuschlag für Arbeitszeiten in der 13. Stunde,
  • 100% Lohnzuschlag für Arbeitszeiten ab der 14. Stunde. Jedoch sind dermaßen lange Arbeitszeiten nur noch in Ausnahmefällen zulässig.
  • 25% Zuschlag sind außerdem fällig für Nachtarbeit zwischen 22-6h,
  • 25% Zuschlag für Arbeit an Samstagen (0-24h)**,
  • 75% Zuschlag für Arbeit an Sonntagen (0-24h)**,
  • 100% Zuschlag für die Arbeit an gesetzlichen Feiertagen (0-24h).

(** Ausnahmen gelten für ‚versetzte‘ Drehwochen im Tarifvertrag FFS. Im Zweifel bitte die ver.di FilmUnion kontaktieren)

Gute Verhandlungsergebnisse wünscht

Der bvft-Vorstand