bvft LogoIm Jahr 2022 soll die nationale Deutsche Filmförderung reformiert werden. Die dazu nötige Gesetzesänderung, die sogenannte Novellierung des Filmförderungsgesetzes, wird derzeit in der deutschen Filmbranche viel diskutiert.
Anfang diesen Jahres hatte die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) Verbände der Filmbranche dazu aufgerufen, Stellungnahmen zu dieser Novelle abzugeben. Eine Vielzahl von Verbänden ist dem nachgekommen, die gesammelten Stellungnahmen lassen sich auf der Website der Filmförderanstalt (FFA) einsehen. Auch die Berufsvereinigung Filmton hat sich Gedenken dazu gemacht, wie sich aktuelle Probleme mithilfe eines neuen Förderungsgesetzes lösen ließen. Im Anschluss die Stellungnahme der bvft, wie sie Anfang Oktober an das BKM geschickt wurde.
Stellungnahme der Berufsvereinigung Filmton (bvft)
 zur Novellierung des Filmförderungsgesetzes (FFG) 2022
Berlin, 1. Oktober 2019
Die Berufsvereinigung Filmton beinhaltet alle Filmtonberufe und vertritt mittlerweile über 400 Filmtonschaffende in Deutschland in wirtschaftlichen, arbeitsrechtlichen, sozialen, urheberischen und letztlich auch künstlerischen Fragen.
In dieser Stellungnahme konzentrieren wir uns auf künstlerische und vor allem soziale Aspekte, die sich einander bedingen.
A) Zum Künstlerischen:
Der Filmton (ohne Musik) trägt als eigene Ebene im Film erheblich zur emotionalen Wirkung und zum dramaturgischen Verständnis der Filmhandlung bei.
Filmtongestaltung entwickelt sich aus bewusst gesetzten Tönen und Klängen, solchen, die Stimmungen widerspiegeln und solchen, die Orte definieren, solchen, die Strukturen und materielle Oberflächen definieren und nicht zuletzt aus der Bearbeitung und Gestaltung des Dialogs als handlungstragendes Element. Ein starker dramaturgischer Effekt entsteht auch durch bewusstes Weglassen von Tönen und erzeugt dadurch eine Rhythmisierung durch selektive Wahrnehmung, die unserer menschlichen Erfahrung entspricht. Erst durch die Filmtongestaltung wird die Filmwelt sinnlich erfahrbar, wird die Kinoerfahrung zu einem starken Erlebnis und gibt damit auch dem Wirtschaftsgut Film einen hohen Wert. Diese Erkenntnis ist zusammengefasst im berühmten Zitat von George Lucas:
„Filmsound is fifty percent of the movie going experience.“
Paradoxerweise machen die Kosten für diese fünfzig Prozent Wirkung innerhalb der Filmherstellung in Relation zu den Kosten der Bildherstellung jedoch nur einen Bruchteil aus.
Wie in der Buchentwicklung die Umsetzung einer Idee, beim Bildschnitt die dramaturgische Montage der Szenen, entsteht eine gute, dem jeweiligen Film individuell angepasste Tongestaltung nicht am Fließband, sondern während eines Prozesses, der Zeit und Kreativität benötigt. Viele spezialisierte Tongestalter (Dialogeditoren* und Sprachtonmeister*, Sounddesigner*, FX-Editoren*, Geräuschemacher*, Geräuschtonmeister*, Geräuscheditoren* sowie Mischtonmeister*innen) gestalten insbesondere in der Postproduktion den finalen Filmsound, so wie er dann im Kino erlebt werden kann.
Die Ton-Postproduktion nimmt insbesondere bei der Produktion von Kinofilmen einen erheblich größeren und zeitlich längeren Teil ein als der Dreh.
Diese Arbeit am Ton am Ende des gesamten Entstehungsprozesses, darf nicht aus Mangel an Geldern stiefmütterlich behandelt werden, denn ansonsten verschenkt der Film enormes Potential.
B) Zum Sozialen:


Aktuelle Situation: Absurderweise herrscht trotz der oben ausgeführten Bedeutung des Filmtons und der Tatsache, dass die Tongestaltung nur einen Bruchteil der Kosten der Filmherstellung ausmacht, ein zunehmender Sparzwang gerade in der Ton-Postproduktion.
Es wird teilweise um halbe Arbeitstage gefeilscht, die in Anbetracht des Gesamtbudgets eine verschwindend kleine Summe ausmachen. Es werden Geräuschaufnahmen (Foley Recording), trotz lokaler Förderbindung, an das halb so teure osteuropäische Ausland vergeben. Sounddesigner und -Editoren arbeiten häufig mehr Tage, als sie bezahlt bekommen, in 14-Stunden-Schichten und oft auch an Wochenenden, um die Diskrepanz aus Wünschen und Forderungen von Seiten der Regie und dem finanziellen Druck seitens der Produktion auszugleichen. In der Regel wird die gesamte Ton-Postproduktion an Subunternehmen (Postproduktionshäuser) übergeben, die sich mit den Mitbewerbern einen Preiskampf liefern um an Aufträge zu kommen, einen Preiskampf, der dann oft in viel zu niedrigen Gagen und zu wenig bezahlten Arbeitstagen für die Filmtonschaffenden mündet, die meist als Freelancer auf Rechnung arbeiten und teilweise monatelang auf Begleichung ihrer Rechnungen warten müssen. Aber auch die Postproduktionshäuser selbst stehen mit ihrer Infrastruktur und ihrem Personal in der Regel unter diesem hohen Budgetdruck.
Das ist nicht unbedingt böser Wille der auftraggebenden Produktionsfirma, sondern resultiert zu einem großen Teil aus der Tatsache, dass der zur Verfügung stehende Etat für die gesamte Filmproduktion schlicht verbraucht ist, da die Postproduktion zeitlich am Ende der Produktionskette liegt.
Die Situation ist dramatisch und hat die aktuelle Tendenz, sich immer weiter zuzuspitzen. Gagen und Honorare stehen unter immensem Druck. Filmtonschaffende bewegen sich dadurch auf eine Altersarmut zu, wenn sie nicht vorher an Überarbeitung erkranken oder in einen anderen Berufszweig wechseln.
Ein weiterer Aspekt ist die Ausbildung von Nachwuchs, die aufgrund massiven Geldmangels auf der Strecke bleibt. Die Folge wird auch in der Postproduktion, und hier insbesondere bei den Geräuschemachern, ein Fachkräftemangel sein, wenn nicht sogar das Ende des Berufszweiges in Deutschland.
Wie kann eine gezielte Filmförderung hier steuernd eingreifen?
Wir beziehen uns u.a. auf die Stellungnahme der Vereinten Dienstleistungs-Gewerkschaft (ver.di), in der es heißt:
Laut § 2 Abs. 9 FFG gehört es zu den Aufgaben der FFA „darauf hinzuwirken, dass in der Filmwirtschaft eingesetztes Personal zu sozialverträglichen Bedingungen beschäftigt wird.“
Leider fehlt es derzeit an wirksamen Ansätzen, die eine für Filmschaffende erkennbare Verbesserung der Arbeitsbedingungen schaffen. Aus Sicht der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft aber darf die Filmförderung die Beschäftigungssituation in der Branche nicht ausblenden. Vielmehr sollten die nach dem FFG eingesetzten Mittel auch dazu dienen, die Arbeitsbedingungen und die soziale Absicherung der in Deutschland ansässigen professionellen Filmschaffenden zu fördern, wenn sie in einer geförderten Filmproduktion mitwirken.
Wie müsste eine Filmförderung gestaltet werden, die diesem in allen Bereichen gerecht wird?
Wir nennen es das „Dreisäulenmodell“:
So wie von Produzenten und Drehbuchautoren zurecht eine eigene Pre-Produktion-Filmförderung gefordert wird, um hochqualitative Stoffe in genügender Zeit und finanzieller Ausstattung zu gewährleisten, muss es unseres Erachtens aus den o.a. Gründen auch für die Postproduktion, insbesondere für die Ton-Postproduktion einen separaten Filmförderungszweig geben.

  • Pre-Produktion (Drehbuchentwicklung und Vorbereitung)
  • Produktion (der Dreh mit allem zu Planenden)
  • Post-Produktion (Ton- und Bildbearbeitung)

Jeder dieser drei Bereiche sollte über einen eigenen Fördertopf verfügen, der nicht von den jeweils anderen Bereichen in Anspruch genommen werden kann.
Desweiteren muss dabei gewährleistet werden, dass die zur Verfügung gestellten Gelder auch wirklich bei den Filmschaffenden ankommen. Dafür bedarf es einer Rechenschaftspflicht der Filmproduzenten bis hin zu von diesen beauftragten Unternehmen und Subunternehmen (Postproduktionshäuser) durch eine Offenlegung der Zahlungen an die Mitarbeiter. Diese Zahlungen sollten von der FFA geprüft werden und nicht nur auf freiwilligen Angaben beruhen.
Da nicht davon auszugehen ist, dass Produzenten und deren Subunternehmen soweit gehen würden, auch ihren Beschäftigten einen solchen Einblick in die verausgabten Fördergelder zu gewähren, wäre sogar eine Melde- bzw. Beschwerdestelle für Filmschaffende denkbar, wo bei begründetem Verdacht auf eine nicht der Fördersumme entsprechende Ausgabe der Gelder die Beantragung einer Sonderprüfung ermöglicht wird.




Zusammenfassung:
Aus den ausgeführten Gründen fordert die Berufsvereinigung Filmton folgendes in die Novelle des Filmförderungsgesetzes aufzunehmen:

  • Getrennte Förderbereiche für Pre-Produktion / Produktion / Post-Produktion
    innerhalb der Post-Produktion getrennte Förderbereiche für Bild und Ton
  • Wirksame Prüfung der eingesetzten Fördermittel im Sinne des bisherigen 
§ 2 Abs. 9 FFG
  • Wirksame Prüfung auf Fälle von Förderbetrug (Auslagern von Teilaufträgen ins kostengünstige Ausland)
  • Einrichtung einer Melde-/Beschwerdestelle für Filmschaffende

Für Informationen und einen Austausch über sinnvolle Etats zur Ton-Postproduktion stehen wir als Berufsvereinigung Filmton jederzeit zur Verfügung.
Berufsvereinigung Filmton (bvft)
Der Vorstand
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