Daff230Am Vorabend der diesjährigen Verleihung des Deutschen Fernsehpreises traf sich die Ende 2010 neu gegründete „Deutsche Akademie für Fernsehen“ in Köln zu einer Podiumsdiskussion. Unter dem Motto „Geht’s noch?! – Das Fernsehen stößt an seine Grenzen“ diskutierten dort der Drehbuchautor Prof. Dr. Fred Breinersdorfer, der Regisseur Carlo Rola, die Schauspielerin Julia Beerhold sowie die Produzenten Stefan Raiser und Gerhard Schmidt vor über 100 Gästen und Akademiemitgliedern.

In der Pressemitteilung der Deutschen Akademie für Fernsehen heisst es:
„Mehr Vertrauen in die Intelligenz der Zuschauer, mehr Respekt vor der Arbeit der Fernsehschaffenden, mehr Transparenz in der Auftragsvergabe der Sender – das waren drei unumstrittene Forderungen der Teilnehmer der ersten Podiumsdiskussion der „Deutschen Akademie für Fernsehen“ in Köln…

Mit deutlichen Worten und an konkreten Beispielen wurde beschrieben, wie sehr sich in den letzten Jahren die Arbeitsbedingungen der Fernsehschaffenden verschlechtert haben, weil seit Jahren trotz stagnierender Budgets immer mehr Programm hergestellt werden muss. Schauspielerin Julia Beerhold: „Die Gagen sinken, während der Output steigt. Viele Schauspieler im Mittelfeld können von ihrem Beruf nicht mehr leben.“ Anderen Fernsehschaffenden gehe es ebenso.
Als Auslöser der Misere wurde der von der KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs) auf ARD und ZDF zur Vermeidung von Gebührenerhöhungen ausgeübte Druck zur Kostendisziplin genannt. Diese führe allein unter Berücksichtigung des Inflationsausgleichs zu einer realen kontinuierlichen Kostensenkung. Zudem werde die aus der Werbeeinnahmenkrise 2008/2009 stammende Sparoffensive der privaten Sender trotz inzwischen wieder steigender Werbeeinnahmen fortgeführt. Der Wettbewerb der Besten habe sich in einen Wettbewerb der Billigsten verwandelt.
Kritisiert wurde in diesem Zusammenhang, dass die öffentlich-rechtlichen Sender die Kosteneinsparungen weniger in der eigenen Verwaltung, sondern in erster Linie im Sektor der externen Programmherstellung durchsetzen würden. Für alle Sender gelte, dass zunehmend mehr und mehr Programmvolumen pro Tag hergestellt werden müsse, aber auch immer weniger Redakteure immer mehr Programm zu betreuen hätten. Zudem habe die Macht der Kostenkontrolleure und derer, die die
Sendungen programmieren, enorm zugenommen. Wichtige kreative Entscheidungen (wie z.B. Besetzung von Hauptrollen) seien aus der künstlerischen Entscheidung von Regie/Produzent in die Hände der Redaktionen/Sender übergegangen.
„Aufgrund der den Markt weitgehend beherrschenden Produktionstöchter von ARD und ZDF“ so Drehbuchautor Fred Breinersdorfer „gibt es keinen echten Wettbewerb mehr. Der Markt wird von Kartellen beherrscht. Die Macht der Redaktionen ähnelt einem spätfeudalistischem System, in dem sich Hoheiten, Hofschranzen und auch Hofnarren tummeln.“ Thematisiert wurden die Product-Placement- und Korruptionsskandale der letzten Jahre, in die vor allem öffentlich-rechtliche Produktionstöchter und Sender verwickelt waren. Produzent Stefan Raiser: „Wenn wir so wirtschaften würden wie einige Sender und Tochtergesellschaften, wären wir längst pleite“. Gerhard Schmidt (Produzent) und Fred Breinersdorfer forderten mehr Transparenz im Umgang mit Gebührengeldern insbesondere im Bereich der Auftragsproduktion. „Was haben die Sender zu verbergen? Warum darf die Öffentlichkeit nicht erfahren, welche Programme von welchen Produktionsfirmen zu welchen Bedingungen hergestellt werden?“ fragte Breinersdorfer. Im eigenen Interesse sollten die Sender den Misswirtschaftsvorwürfen mit Transparenz begegnen.
Angegriffen wurde die Quotenhörigkeit der öffentlich-rechtlichen Sender und die Verschärfung des Konkurrenzkampfes zwischen ZDF und ARD, der gegen das Interesse des Zuschauers und Gebührenzahlers in Gegenprogrammierungen gipfele und Verschiebungen anspruchsvoller Programme aller Bereiche in den späten Abend bewirke, nur um dem jeweiligen Konkurrenten Prozentpunkte in der Quote abzujagen. Regisseur Carlo Rola forderte unter dem Beifall des Publikums eine Ignorierung, sprich Abschaffung der Quote, für das Programm nach 20.00 Uhr im öffentlich – rechtlichen Fernsehen. Berichtet wurde über eine redaktionsinterne Umfrage, in der Redakteure als obersten Erfolgsmaßstab ihrer Arbeit die Quote und nicht die Qualität ihrer Programme nannten.
Gerhard Schmidt betonte die Wichtigkeit der offenen Diskussion innerhalb der Akademie zwischen den Freischaffenden und den in den Sendern Festangestellten außerhalb der konkreten Arbeit an einzelnen Projekten. Es gäbe derzeit auf beiden Seiten wenig Anstrengungen, sich in die Rolle des jeweilig anderen zu versetzen und dessen Motivationen, Zwänge und Erwartungen zu verstehen.
Akademievorstand und Schauspieler Michael Brandner kündigte weitere Verhandlungen mit Politikern aller Parteien in Berlin und Brüssel, sowie Gespräche mit Vertretern der KEF an, um die Qualität der Fernsehprogramme und die Arbeitsbedingungen aller Fernsehschaffenden nachhaltig auf ein zufrieden stellendes Niveau zu heben.“

Auch als Reaktion auf die Abschaffung diverser Kategorien bei den Einzelleistungen beim durch die Sender ausgetragenen Deutschen Fernsehpreis, möchte die Deutsche Akademie für Fernsehen ab 2013 einen eigenen Preis ausloben, der die Leistungen der Kreativen würdigt.
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