Berlin, den 25. November 2024
Sehr geehrter Dr. Norbert Himmler,
Sehr geehrte Dr. Katja Wildermuth,
Sehr geehrter Florian Hager,
Sehr geehrte Ralf Ludwig,
Sehr geehrter Joachim Knuth,
Sehr geehrte Dr. Yvette Gerner,
Sehr geehrte Ulrike Demmer,
Sehr geehrter Martin Grasmück,
Sehr geehrter Dr. Kai Gniffke,
Sehr geehrter Tom Buhrow,
Sehr geehrte Katrin Vernau,
Am härtesten trifft es die Teams
Warum die Fernsehbranche zur Wüste zu werden droht
Wir, die Initiative Fair Film – ein Zusammenschluss von über 30 Berufsverbänden, Institutionen und Initiativen der deutschen Filmbranche – wenden uns heute mit einem Schreiben an Sie und wünschen uns dies als Auftakt eines gemeinsamen, konstruktiven Dialogs. Die folgende Problemanalyse ist aus der Sicht der vielen am Film beteiligten Gewerke entstanden und zeigt deutlich, dass sich an den Produktionsbedingungen für die Programminhalte dringend etwas ändern muss.
Das sind die Kennzahlen der Fernsehwirtschaft von 2024:
• Einbruch um 25-30 % bei der Auftragsvergabe
• Produktionsetats trotz Teuerung ohne Erhöhung seit Jahren
• Insolvenzen unabhängiger Betriebe im Bereich der Produktion
(“Produzentensterben”) und Postproduktion
• Abwanderung von bis zu 18.000 Arbeitnehmer*innen aus dem Film in andere
Branchen oder in die Arbeitslosigkeit.
Budget und Kalkulationsrealismus
Der Verbraucherpreisindex weist laut statistischem Bundesamt seit 2020 eine Steigerung von bis zu 20 % aus, doch die Budgets der öffentlich-rechtlichen Sender für Ihre Projekte sind nahezu unverändert. Wesentliche und überfällige Verbesserungen wie Green-Producing, Gesundheits-Maßnahmen, Intimacy-Coordination, Diversitäts-Beratung, Mindestlohnanforderung und Arbeitszeitregelungen wurden zwar vereinbart, aber die damit verbundenen Mehrkosten
werden in den Budgets nur selten entsprechend berücksichtigt. Gleichzeitig wirkt das Wettbewerbsumfeld mit den neuen Streamingdienst-Anbieter*innen und statt der Budgets steigen vor allem die Erwartungen. „Es soll aussehen wie Netflix, aber nur einen Bruchteil davon kosten.“
Auf den Rücken der Teams
Unter diesen Belastungen zeigen sich folgende Tendenzen: Die Regelungen des Tarifvertrags (TV FFS) werden von den Sendern oft nicht vollumfänglich anerkannt. Die Sender legen die tarifliche Mindestvergütungen in der Kalkulation als Regelgagen zugrunde. Das führt dazu, dass erfahrene Expert*innen entweder wie Anfänger*innen bezahlt werden oder das Geld an anderer Stelle fehlt. Die Fehlbeträge setzen alle Beteiligten und jede Kategorie des Etats unter Druck, von der Vorbereitung bis zur Postproduktion. Produktionsfirmen sind gezwungen, Pre- und Postproduktionstage radikal zu kürzen. Überstunden, Nacht- und Wochenendarbeit werden auf Kosten der oft pauschal bezahlten Arbeitskräfte (Kamera, Regie, Schnitt, Kostüm, Szenenbild) in Kauf genommen. Damit sind Spannungen in der Produktion vorprogrammiert.
Die Honorare stagnieren seit Jahren
Wir halten es für selbstverständlich und richtig, dass Löhne, Honorare und Gehälter angepasst werden, um den gestiegenen Lebenshaltungskosten gerecht zu werden. So sind beispielsweise die Löhne der festangestellten Redakteur*innen zahlreicher öffentlich-rechtlicher Sender in den vergangenen zehn Jahren um etwa 24 % gestiegen (siehe von ver.di mit öffentlich-rechtlichen Sendern abgeschlossene Haus-Tarifverträge für Festangestellte. Beispielhaft hier die Vergütungstabelle des WDR für Festangestellte von 2022). Die KEF konstatiert in ihrem 23. Bericht (S. 125), dass Gehälter und Versorgungsansprüche
der Senderangestellten höher sind als sonst in der kommerziellen Medienwirtschaft oder dem öffentlichen Sektor. Dies bestätigt auch eine Studie der Zeppelinuniversität, die am Beispiel des SWR die Gehälter mit denen anderer Sektoren vergleicht. Ein gerechter Inflationsausgleich sollte daher für alle Berufsgruppen gelten, unabhängig davon, ob es sich um freiberufliche, abhängig Beschäftigte oder festangestellte Mitarbeiter*innen handelt. Tatsächlich jedoch tragen viele Film-Teammitglieder die Last der gestiegenen Kosten, da seit 10 Jahren die Honorare und Gagen nicht bzw. nicht angemessen gestiegen sind.
Drehbuchentwicklung
Dieses Missverhältnis zeigt sich in allen Bereichen der Produktion, auch bei der Drehbuchentwicklung. Die inhaltlichen Wünsche der Redaktionen übersteigen oft die budgetären Rahmenbedingungen und stimmen häufig nicht mit den finanziellen und zeitlichen Gegebenheiten überein. Der Zeit- und Geldmangel führt dazu, dass Produktionen immer öfter mit nicht abgenommenen oder nicht final abgestimmten Drehbüchern starten. Das verursacht Mehrarbeit und belastet das gesamte Team: Regie und Kamera können nicht rechtzeitig planen, Motive können nicht gebucht, Kostüme nicht vorbereitet werden. Drehpläne und Drehbuchauszüge müssen ständig neu erstellt werden.
Aus einer Stoffentwicklungszusage folgt nicht unbedingt die Herstellung des Filmes. Entscheidungen über Herstellungszusagen ziehen sich oft über Monate oder Jahre hin. Die in dieser Zeit zur Entwicklung angefallenen Kosten (zum Teil im mittleren fünfstelligen Bereich) werden jedoch oft nicht von den Sendern übernommen und stattdessen auf die privatwirtschaftlich organisierten Firmen, als auch auf die mehrheitlich freiberuflich arbeitenden Autor*innen abgewälzt.
Auch viele dokumentarische Produktionen sind betroffen
Der Wunsch der Sender nach “Hochglanz” verlangt einen Aufwand, der sich nicht in den Etats widerspiegelt. Der wesentliche Kern dokumentarischer Arbeit dagegen gerät ins Hintertreffen: Fundierte Recherche und die Vorarbeit, um das Vertrauen der Protagonist*innen zu gewinnen. Diese Entwicklung führt zur Aufgabe journalistischer Standards und zu einer Verflachung der Themen und Inhalte.
Dreharbeiten
An den Sets führt der Kostendruck zur Reduzierung der Drehtage, die Quelle prekärer Produktionsbedingungen. Die Anzahl der Drehtage richtet sich nicht nach den Anforderungen der Projekte. Die im fiktionalen Produktionsbereich ohnehin fragwürdige Untergrenze von 21 Drehtagen für einen abendfüllenden Spielfilm wird oft noch unterboten. Der Zeitdruck verschärft die Stimmung entsprechend am Set, was zu Lasten der psychischen und physischen Gesundheit der Teammitglieder geht.
Das zieht sich bis in die Postproduktion: Reduzierte Drehtage bedeuten am Set mehr Filmminuten pro Tag und damit mehr Material für Schnittassistent*innen und Editor*innen. Trotz steigender Arbeitslast wird weder mehr Zeit noch zusätzliches Personal für die Materialvorbereitung und den Schnitt eingeplant.
Mediatheken verschärfen die Lage
Der Umbau der Sender auf mehr Mediathekeninhalte verschärft die Situation weiter. Mediathekeninhalte sind in der Regel schmaler budgetiert, obwohl der Qualitätsanspruch unverändert bleibt und sie in der Regel ebenfalls im linearen Fernsehen ausgestrahlt werden. Noch kürzere Produktionszeiten verschärfen die finanzielle Situation der Teams und gleichzeitig sind die
Vergütungsstrukturen für Drehbuch und Regie für die Onlinebereitstellung von Programm weder zeitgemäß noch sachgerecht. Das heizt das Budgetdumping weiter an.
Rückzug aus Kino-Koproduktionen
Zusätzlich ziehen sich die Sender aus den Kino-Koproduktionen zurück. Die Beteiligung der Sender ist ein zentraler Finanzierungsbaustein für Kinofilme. Ihr Entfall führt schon jetzt zu einer Verarmung der Kinolandschaft.
Der Konflikt der Politik mit den Sendern schlägt bis zu den Sets durch
So berechtigt die Forderungen der Politik nach Erneuerungen bei den öffentlich-rechtlichen Sendern sind, so wenig verständlich ist es, dass den Sendern seit Jahren Mittel vorenthalten werden und sogar aktuell jegliche
Erhöhung der Haushaltsabgabe verweigert wird. Diese Verweigerung forciert bei den Sendern radikale Sparzwänge und
Reformen, die bei allem Verständnis für schlankere Strukturen viele fragwürdige Elemente enthalten und keine Rücksicht auf diejenigen nehmen, die mit ihrer Arbeit von den Sendern abhängig sind. Der Konflikt der Politik mit den Sendern wirkt somit bis an die Sets und in die Arbeitsbedingungen hinein. Eine ganze Branche steht unter Druck und dieser Druck nimmt noch zu.
Top-Down-Strukturen in den Redaktionen
Wie in dem Bericht über den WDR von Monika Wulf Mathies beschrieben, ist das Redaktionssystem geprägt von “Top-Down-Strukturen“ und „Machtkonzentration durch starke Hierarchien“. Ob aufgrund des Drucks von Redaktionsleitungen oder aus eigenem Antrieb: Einzelne Redakteur*innen bedingen sich immer mehr kreative und produktionstechnische Entscheidungen aus, die ihren Kompetenzbereich überschreiten. Teilweise nehmen sie sich als die “eigentlichen” Kreativen wahr. Produktionsfirmen, Autor*innen und Heads of Departments sind oft willkürlichen Einflussnahmen ausgesetzt. Unklare Abnahmeprozesse und kleinteilige Einmischungen in kreative Prozesse zeugen von mangelndem Vertrauen und Respekt. Oft hat dies eine Störung der Produktionsabläufe zur Folge, verursacht unnötige Mehrkosten und führt zu nervenaufreibendem
Mehraufwand für die kreativen Fachkräfte. Die freien Produktionsfirmen und die freiberuflichen Kreativen haften mit ihrem
Namen, ihrem beruflichen Renommee und ihrer wirtschaftlichen Existenz für ihre Arbeit. Sie hängen vom “Goodwill” der Redaktionen und der Qualität des Ergebnisses ab. Dieses Machtgefälle wird regelmäßig ausgenutzt.
Umbau auf Kosten der Auftragsproduktionen – eine massive Schieflage
Die KEF stellt wiederholt fest, dass von 2017 bis 2020 € 544,5 Millionen Überschuss bei ARD und ZDF entstanden sind. Die Aufwendungen für Auftragsproduktionen hingegen werden seit Jahren reduziert. Es wird deutlich weniger produziert und die Etats werden nicht erhöht. Die Fachpresse berichtet gleichzeitig von hohen Kosten für Intendant*innen, Neubauten und des komplexen Strukturumbaus. Hier entsteht eine massive Schieflage, die sich negativ auf die gesamte Film- und Fernsehbranche auswirkt.
18.000 Arbeitsplätze von freien Medienschaffenden weggefallen
Seit 2015 sind laut einer Studie des WIFOR-Institutes im Auftrag der ARD 18.000 Arbeitsplätze von freien Medienschaffenden weggefallen. Diese Freischaffenden wandern in andere Branchen ab oder müssen sich arbeitslos melden. Heads of Department, die oft auf Rechnung arbeiten, fallen dabei sofort in die ALG II Einstufung. Der Verlust der KSK-Berechtigung kann komplizierend hinzukommen.
Wenn in anderen Branchen in dieser Höhe Arbeitsplätze wegkippen, reagiert die Politik mit Hilfsmaßnahmen und Subventionsprogrammen. Bei der Fernsehwirtschaft nicht. Ein unhaltbarer Zustand!
Sparen auf Kosten der freien Produktionslandschaft
Noch einmal: Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die wichtigsten Auftraggeber von Dokumentarfilm, Film- und Serienprogramm in Deutschland, erfüllen ihre Sparvorgaben seit Jahren vor allem auf Kosten der freien Produktionslandschaft. Laut der von der Hamburg Media School und Gold Media durchgeführten Studie „Film- und Fernsehproduktion in Nordrhein-Westfalen im Vergleich zu anderen Bundesländern 2021 und 2022“, haben sich die Zahlen
seit 2011 nicht wesentlich verändert. Ein erheblicher Anteil des Produktionsvolumens wird von Großkonzernen wie UFA und Save Constantin und Sendertöchtern wie der Bavaria oder ZDF Studios GmbH (bis 31.3.22 ZDF Enterprises) bestritten. Das Bundeskartellamt hat in der Vergangenheit mehrere Ermittlungen gegen Unternehmen im Bereich des öffentlichen Rundfunks durchgeführt. Diese Ermittlungen betrafen vor allem kartellrechtswidrige Preis- und Angebotsabsprachen. Gleichzeitig wird die Situation für kleinere und mittlere Produktionsfirmen immer prekärer.
Gab es im Jahr 2018 laut ver.di Medienbericht noch etwa 900 Produktionsfirmen, so ist die Anzahl im Jahr 2020 auf 763 gesunken. Das ”Produzentensterben” geht weiter.
Filmemachen wird dadurch immer mehr von monopolistischen Strukturen geprägt. Das schadet den Arbeitsbedingungen, dem Wettbewerb, der Qualität und der kulturellen Vielfalt.
Unser Appell an Sie:
Sie als öffentlich-rechtliche Sendeanstalten haben eine besondere Verantwortung. Mehr Geld in Auftragsproduktionen! (50+) Und es ist an der Zeit, Ihre Fürsorgepflicht nicht nur sender-intern wahrzunehmen, sondern auch dafür zu sorgen, dass die Arbeitsbedingungen im Bereich Auftragsproduktion wieder arbeitnehmerwürdig werden und bleiben. Beispielhaft ist Dänemark: Dieses europäische Land beweist, dass Filme klug, innovativ und sozialverträglich gedreht werden können.
Gleichzeitig kann man diesen Brief auch als Appell an die Politik verstehen
Es ist wichtig, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Mittel erhält, die er braucht, um seine Programminhalte herzustellen und seine Strukturen umzubauen. Alle aufgeführten Schwierigkeiten machen klar, dass es vor allem um
die Rahmenbedingungen geht. Es müssen ausreichend Mittel zur Verfügung stehen, um faire und gerechte Arbeitsbedingungen für die Teams von Filmproduktionen dauerhaft zu gewährleisten. Dies muss bei der anstehenden
Strukturreform unbedingt berücksichtigt werden. Schließlich geht es um die Arbeitsplätze und die kulturelle Vielfalt. Es geht um die Zukunft der Branche! Wir fordern Sie auf: Treten Sie mit uns in den Dialog, damit wir gemeinsam den eklatanten Missständen entgegentreten können. Im angehängten Positionspapier finden Sie konkrete Maßnahmen, die dies ermöglichen.
Die Initiative Fair Film
Positionspapier
Wir wünschen uns für unsere zukunftsfähige Branche ein starkes Filmland, mit starken Produzent*innen und Kreativen und einer zukunftsweisenden, fairen und sozialverträglichen Art, wie unsere Filme und Serien produziert werden.
1. Grundsätzliche Forderungen
1.1. Mehr Geld in Auftragsproduktionen
1.1.1. Mehr Zeit und Geld für Drehbuchentwicklung. Kein Greenlighting
einer Produktion ohne fertiges Buch.
1.1.2. Bezahlte Stoffentwicklung und Recherche bei Dokumentarfilmen.
1.1.3. Einhaltung sozialer und ökologischer Mindeststandards.
Die kalkulierten Budgets müssen die Einhaltung sozialer und ökologischer
Mindeststandards gewährleisten. Dazu gehören angemessene
Vergütungen auch für Überstunden und die Ermöglichung der
Einhaltung der Arbeitszeiten durch eine entsprechende Ausstattung
mit Dreh- und Produktionstagen. Besonderheiten im Drehbuch
(Action, Kinder, Historisch, viele Drehorte etc.) müssen in der
Kalkulation eine entsprechende Berücksichtigung finden.
2. Faire Vergütung und Lohngerechtigkeit
2.1. Verpflichtung zur Einhaltung von Tarifverträgen und gemeinsamen
Vergütungsregeln. Bei allen Auftragsproduktionen soll der Tarifvertrag
für auf Produktionsdauer beschäftigte Film- und Fernsehschaffende
(TV FFS) eingehalten werden. Es braucht die Klarstellung, dass auch
nicht tarifgebundene Produktionsfirmen die Ausnahmeregelungen zur
Arbeitszeit in Ziffer 5 nur dann anwenden dürfen, wenn sie den gesamten
Tarifvertrag berücksichtigen. (Die Praxis zeigt, dass manche Produktionen,
um das Arbeitszeitgesetz zu umgehen, sich ausschließlich auf
Ziffer 5 beziehen, ohne die anderen Regelungen zu erfüllen.)
2.2. Faire und angemessene Gagen müssen in den Budgets sichergestellt
sein. Dabei sind die Tarifgagen des TV FFS und die Basishonorare der mit
den Verbänden ausgehandelten GVR Mindestgagen nur für Berufseinsteiger*
innen anzuwenden und sich bei erfahrenen Filmschaffenden an
die Gagenempfehlungen der jeweiligen Berufsverbände zu halten. Die
Berufsjahre sind gesamt zu bewerten und nicht gesondert pro Senderanstalt,
wie es beispielsweise gängige Praxis beim ZDF ist.
2.3. „Equal-Pay“ Der Vergütung von (Solo) Selbstständigen,
Kleinstunternehmer*innen sollte um 40 Prozent über der Vergütung für
Angestellte liegen, um auf ein „Equal-Pay-Niveau“ zu kommen. (siehe
Code of Practice – Für freie Film- und Fernsehschaffende von ver.di:
20% Arbeitgeberanteil zum Sozialversicherungsbeitrag; 5% Versicherungspauschalen
für Berufsgenossenschaft, Haftpflicht etc.;
15% Verwaltungs- und Handlungskosten sowie Unternehmensgewinn,
https://bit.ly/45lCxiE).
2.4. Pauschal heißt nicht 14 Arbeitsstunden pro Tag. Bei den Gagen für
pauschal bezahlte Teammitglieder dürfen Überstunden nicht unvergütet
bleiben. Das führt dazu, dass der Stundenlohn, gegengerechnet mit der
tatsächlich aufgewendeten Zeit absurd niedrig wird. Die Betroffenen
büßen also Grundvergütung ein. Ebenso führt es dazu, dass auf die
ohnehin schon nicht entlohnte Arbeit zudem keine Sozialabgaben gezahlt werden.
Diese fehlenden Abgaben fehlen für die eigene Absicherung
für auftragsfreie Zeiten und Rentenrücklagen.
2.5. Keine Buy-Out Verträge. Eine Übertragung von Rechten und Lizenzen
muss verpflichtend durch angemessene Vergütungsregelungen geregelt
werden.
2.6. Faire Regelungen für die Mediatheken-Nutzungen. Die Urhebervergütung
für die Mediathekennutzung der Werke muss der inzwischen
stark gewachsenen Bedeutung angepasst werden.
3. Soziales und Gesellschaftliches
3.1. Einführung eines verpflichtenden und überprüfbaren Code of Ethics,
nach dem Vorbild des Österreichischen Film Instituts: https://filminstitut.
at/code-of-ethics, der auch bei Auftragsproduktionen Anwendung
finden muss.
3.2. Jährliche Durchführung einer bundesweiten Branchenstudie ähnlich der
Looking Glass Studie in Großbritannien (The LookingGlass – mental
health in the UK film, TV and cinema industry, https://bit.ly/42jK27f).
3.3. Transparentes, jährliches Monitoring der Auftragsvergaben der Sender.
Verpflichtung der Beteiligung an OMNI (https://omni-inclusion.de/)
3.4. Mehr Diversität und Geschlechtergerechtigkeit vor und hinter der
Kamera (beispielsweise durch Quoten und Incentives), um verfestigten
Machtstrukturen entgegenzuwirken.
3.5. Eine chancengleiche Beschäftigung unabhängig von Geschlecht, Alter
oder Herkunft muss obligatorisch sein und über ein jährliches Monitoring
evaluiert werden. Sie ist die beste Maßnahme für Lohngerechtigkeit.
Dabei zählt nicht die Anzahl der Projekte, sondern das verteilte Budget.
Die Sender verpflichten sich mit geeigneten Maßnahmen, auftretenden
Diskriminierungen bei der Auftragsvergabe entgegenzuwirken.
4. Förderung zukunftsweisender Arbeitsstrukturen
4.1. Finanzielle Beteiligung der Sender bei der Einführung einer Teilzeit-/
Jobsharingquote, bei teilweisem Lohnausgleich (Care-Arbeitende
dürfen nicht in die Teilzeitfalle rutschen).
4.2. Förderung von familienfreundlichen Strukturen. 79% der
Filmschaffenden sagen, Familie und Beruf sei nicht vereinbar. (siehe
https://out-takes.de/gutachten_juni_2021) Dies muss sich ändern.
Einführung eines gesonderten Topfes für familienfreundliche Arbeitsstrukturen,
finanziert von Sendeanstalten und Filmförderung und nicht
aus dem Produktionsbudget.
4.3. Die Sendeanstalten beteiligen sich an der Förderung von
Ausbildungsstrukturen, wie Juniorassistenzen für den Nachwuchs in
Filmberufen, die an den klassischen Ausbildungsstätten keine Möglichkeit
der Ausbildung finden.
4.4. Die Einberufung eines regelmäßigen runden Tisches mit allen
wichtigen Verbänden und Branchenteilnehmer*innen zur Evaluierung
der Dokumentarfilm, Film- und Serienproduktion.
Die Initiative Fair Film ist ein Zusammenschluss von über 30 Berufsverbänden,
Institutionen und Initiativen der deutschen Filmbranche. Sie repräsentiert ein
breites Spektrum filmpolitischer Arbeitsfelder und Anliegen und vertritt derzeit
über 9.000 Film- und Medienschaffende..