Das Wirtschaftsministerium unter Minister Philipp Rösler (FDP) erwägt nun auch die Freigabe von Funkfrequenzen um 700 MHz für den mobilen Datenverkehr. Es folgt damit der Linie der EU-Vizepräsidentin Neelie Kroes, die weitere 200 MHz des DVBT-Spektrums opfern will, um den großen Datenhunger der Mobilfunkbetreiber vermeintlich zu befriedigen. Paradoxerweise verhindert der politisch eingeräumte Vorrang der mobilen Verbreitung von medialen Inhalten die Produktion ebendieser Inhalte, da die zur Produktion nötigen Funkfrequenzen von der Bundesregierung gleich mit über Bord geworfen werden würden.
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Denn eine mögliche Simultannutzung (Commonly used network structure) des selben Frequenzbereiches durch Medien UND Mobilfunk, wie ihn das Ministerium in seiner neben stehenden „Medienstrategie 2020“ erwägt, ist unrealisierbar und schlichtweg technologischer Unfug. Damit geht das Ministerium erneut der Lobbyarbeit der Mobilfunkindustrie auf den Leim, welche die Politik glauben machen will, dass sich der Datenbedarf der Bevölkerung stillen lassen könne, wenn man nur die nötigen Funkfrequenzen bereit stelle.
Dabei widerspricht es eigentlich dem gesunden Menschenverstand, dass der bestehende Videodatenstrom von 20-30 DVBT-Fernsehfunksendern in Zukunft durch 10 Millionen (oder mehr) individuelle, mobile Videodownloads durch die Bevölkerung (Video on demand / mobiles Internet) ersetzt werden könne. Keine Technologie der Welt wird jemals dazu in der Lage sein, wie viele Funkfrequenzen man ihr auch einräumt!
Hochkapazitive Medieninhalte (z.B. videos) können individuell und in der Masse nur über Kabelwege zu den Konsumenten gebracht werden, allenfalls terminiert durch ein lokales WLAN-Funknetz.
Nichtsdestotrotz übernehmen Bundesregierung und EU-Kommission einen unter dubiosen Umständen auf der Weltfunkkonferenz 2012 (WRC) gefällten Entschluss, die Vergabe der Frequenzen 694-790 MHz an die Mobilfunkindustrie im Jahr 2016 vorzubereiten.
Nur drei Jahre nachdem die Betreiber von Drahtlosmikrofonen – darunter Presse, Theater, Musiker, Fernseh- und Filmstudios – gezwungen wurden, bestehende Frequenzen zu räumen und in neue Geräte in Milliardenhöhe zu investieren, würde damit erneut eine Bestandszusage der CDU/CSU/FDP-Bundesregierung zu vergebenen Frequenzen gebrochen!
Die bvft appelliert deshalb an die Bundesregierung, den vermeintlichen mobilen Datenbedarf und dessen technische Umsetzung realistisch einzuschätzen und die freie Presse- und Kulturarbeit nicht durch massive finanzielle und technologische Hürden einzuengen.
Wir unterstützen deshalb auch die Kommentierung der Medienstrategie des Bundes durch unseren Partnerverband APWPT, die hier zum Download bereit steht.
» Kommentierung der Medienstrategie 2020 durch den APWPT